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Felipe Fernandez-Armesto: On Truth

WHAT IF WE COLLECTIVELY DECIDED THERE IS NO SUCH THING AS ABSOLUTE TRUTH?

It would be disastrous, but it would never happen. Thank God, agreement is elusive, even on commonsense matters of fact. ‘There’s no absolute truth’ is an absolute statement – all statements about nothing are necessarily absolute – and therefore self-falsifying. Anyone – Cretan or cretin – who denies the existence of truth, invites disbelief. By denying absolute truth, the proposition we confront in the present exercise implicitly endorses contingent truths. But even contingent propositions can only be true if one of the conditions is that there is such a thing as truth.

Absolute truth is ineluctable. Even a truth that implies contingency, such as ‘Swans are black in Australia’ involves the absolutely true adumbration that ‘The proposition that swans are black in Australia is true.’ People who say, ‘It’s true for me’ are either gilding falsehoods or misrepresenting matters of opinion.

If we abandon the search for truth, we shall fall victim to two evils. First, we shall be hobbled in the fight against falsehood. People who deny that Nazis killed Jews, or who justify war by telling us that such-and-such an enemy has weapons of mass destruction, or who ascribe literal truth to poetic texts or self-interested dogmas will get away with their lies and evasions. Secondly, we shall make agreement depend on some other criterion, such as whether a proposition hurts anyone’s feelings, or causes offense, or transgresses political correctness, or subverts society, or challenges the state, or infringes consensus. Some campuses and some seminars are already close to being relativistic Disneylands, in which the nearest you can get to expressing outrage or denouncing lies is to say, ‘I know where you’re coming from.’ Some countries are already realms of newspeak.

To adhere to the search for truth does not mean the abandonment of skepticism. On the contrary: relativism makes us slip our guard. This does not mean that relativism is a useless doctrine. It can be a useful source of inspiration for thought experiments, such as the one we are engaged on in this exercise. In my book on the history of truth, I tried to show that different cultures, at different times, have favored, on balance, different techniques for telling truth from falsehood, and therefore may be said to have had, to that extent, different concepts of truth. In that sense, the predictions of relativism have proved valid. And it is important to remember that truth is elusive. It takes hard work, discipline, and time to approach it. Although the truth is out there we shall not grasp it quickly or easily embrace it whole. Relativism, indeed, can teach us a vital form of wisdom. The same truths look different when viewed from different viewpoints. Truth, as I am always telling my students, is like a nymph glimpsed bathing between leaves. The more you shift perspective, the more is revealed.

– Felipe Armesto

Felipe Fernandez-Armesto is Professor of Global Environmental Hi story at Queen Mary, University of London. He is the author of Truth: A Hi story as well as several popular works on history including Ideas That Changed the World (2003). Pathfinders: a Global Hi story of Exploration (2006). Fernandex Armesto is also the Principe de Asturias Chair in Spanish Culture and Civilization at Tufts University.

Felipe Fernandez-Armesto ist Dozent für Global Environmental Hi story an der Queen Mary University, London. Er ist der Autor des buches „Wahrheit. Die Geschichte. Die Feinde. Die Chancen.“, sowi e anderer erfolgreicher Werke zum thema Geschichte, u.a. „Ideas That Changed the World“ (2003) und „Pathfinders: a Global History of Exploration“ (2006). Fernandez- Armesto ist ausserdem der Principe de Asturias Chair für Spanische Kultur und Zivilisation an der Tufts University, Boston.

Es wäre ein Desaster, aber es wird nie dazu kommen. Zum Glück ist so ein
Einvernehmen schwer zu erzielen, auch bei Tatsachen, die die Allgemeinheit
anerkennt. ‚Es gibt keine absolute Wahrheit‘ ist an sich eine absolute
Aussage – alle gegenstandslosen Aussagen sind notwendigerweise
absolut – und widerlegt sich somit selbst. Jeder, egal ob Kreter oder
Kretin, der die Existenz von Wahrheit bestreitet, ruft Zweifel auf den Plan.
Indem die These, auf der diese Gedankenübung beruht, die Existenz einer
absoluten Wahrheit abstreitet, geht sie implizit von bedingten Wahrheiten
aus. Doch auch bedingte Thesen können nur dann wahr sein, wenn
zutrifft, dass es so etwas wie Wahrheit gibt. Absolute Wahrheit ist unvermeidlich.
Selbst Wahrheit, die Bedingtheit einbezieht, wie ‚In Australien
sind Schwäne schwarz‘, geht mit dem absolut wahren Gedankenentwurf
einher: ‚Die These, dass in Australien Schwäne schwarz sind, ist wahr‘.
Wer sagt: ‚Für mich ist das wahr‘, der verbrämt entweder eine Unwahrheit
oder stellt Dinge, die Ansichtssache sind, ungenau dar.
Gäben wir die Suche nach Wahrheit auf, so fielen wir zwei Übeln anheim.
Erstens würden wir bei unserem Kampf gegen Falschheit beeinträchtigt.
Menschen, die leugnen, dass die Nazis Juden umgebracht haben, oder die
Krieg damit rechtfertigen, dass sie uns sagen, dieser oder jene Feind habe
Massenvernichtungswaffen, oder die poetischen Texten eine wortwörtliche
Wahrheit oder eigennützige Dogmen zuschreiben, kämen mit ihren Lügen
und Ausflüchten davon. Zweitens würden wir unser Einvernehmen von anderen
Kriterien abhängig machen, wie der Frage, ob eine These jemandes
Gefühle verletzt oder jemandem Anlass zum Ärger bietet oder politisch
unkorrekt ist oder die Gesellschaft untergräbt oder sich gegen den Staat
richtet oder gegen allgemeinen Konsens verstößt. Einige Universitäten und
Seminare stehen kurz davor, sich in ein relativistisches Disneyland zu verwandeln,
in dem ‚Ich weiß, wo du herkommst.‘ das Äußerste ist, was man
sagen darf, um seinem Zorn Ausdruck zu verschaffen oder Lügen zu denunzieren.
Mancherorts ist Orwells „Neusprech“ bereits die Landessprache.

Er kann als hilfreiche Inspirationsquelle für Gedankenexperimente
dienen, wie bei dem, das wir hier gerade durchführen. In meinem Buch
über die Geschichte der Wahrheit habe ich darzustellen versucht, wie
verschiedene Kulturen zu bestimmten Zeiten letztendlich ganz unterschiedliche
Verfahrensweisen guthießen, um Wahrheit von Falschheit
zu unterscheiden, und wie man davon ausgehend sagen kann, dass sie
in diesem Maße auch unterschiedliche Wahrheitskonzepte besaßen.
Diesbezüglich haben sich die Vorhersagen des Relativismus als zutreffend
erwiesen. Und es ist wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, dass
Wahrheit schwer zu erzielen ist. Es bedarf harter Arbeit, Disziplin und
viel Zeit, um sich ihr anzunähern. Obwohl es die Wahrheit gibt, sollten
wir nicht voreilig danach greifen oder sie gänzlich an uns ziehen. Der
Relativismus kann uns in der Tat eine grundlegende Form der Weisheit
lehren. Dieselben Wahrheiten sehen von unterschiedlichen Blickwinkeln
betrachtet ganz anders aus. Wahrheit ist, wie ich meinen Studenten
auch immer sage, wie eine badende Nymphe hinter Bäumen
und Sträuchern. Je öfter man die Blickrichtung wechselt, um so mehr
kann man sehen.
– Felipe Armesto

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